Kurzbericht zur Veranstaltung „Traumatisierung von Fußballfans “ am 31. Mai 2017

Wir dokumentieren an dieser Stelle den Artikel “Es wird wieder passieren, aber wir können uns darauf vorbereiten – Zur Veranstaltung „Traumatisierung von Fußballfans “ am 31. Mai 2017″, der in der Ausgabe 247 des Fan-Zine “Ultra Unfug” der Nordkurve Babelsberg zum Auftakt der Regionalligasaison gegen Hertha BSC II veröffentlicht wurde. Einen ausführlichen Bericht zur Veranstaltung und zu durch die Anwesenden formulierten Forderungen, kann hier nachgelesen werden.

Platzsturm, zerlegte Züge, Pyro-Attacken – martialische Sprache über gewalttätige Aus- und Überfälle von „sogenannten Fußballfans“ hören und lesen wir tagtäglich. Selten ist eine derartige Dramatik jedoch zu finden, wenn Fans Gewalt erleiden – sei es von Seiten anderer Stadionbesucher*innen oder der vermeintlichen Sicherheitskräfte. Derartige Vorfälle gibt es aber genauso an jedem Fußballwochenende in Deutschland. Trauriger Höhepunkt der jüngsten Relegationsspiele: der Polizeieinsatz gegen Braunschweig-Fans in Wolfsburg, bei dem mehrere Personen unter anderem Knochenbrüche davontrugen und ein Rollstuhlfahrer vom Wasserwerfer der niedersächsischen Polizei umgeschossen wurde.

Ein besonders gewalttätiges Vorgehen der Polizei haben vor einem guten Jahr auch Babelsberg-Fans beim Pokalsieg in Luckenwalde erleben müssen. Dies hatte für Einzelne krasse Folgen, was die Polizei, der FSV Luckenwalde und der Fußballlandesverband offensichtlich noch immer nicht wahrhaben wollen. Anders der SV Babelsberg 03 – Verein, Fanprojekt, Fanbeirat und die Initiative nur03* organisierten daher gemeinsam die Veranstaltung „Traumatisierung von Fußballfans“. Bei der Diskussion im VIP-Raum des Karl-Liebknecht-Stadions am 31. Mai ging es nicht nur darum, an den folgenschweren und verfehlten Polizeieinsatz zu erinnern. Ziel war es auch dafür zu sensibilisieren, welche Folgen solche Erfahrungen für Fans haben, wie Fanszenen Vorfällen dieser Art vorbeugen können und welche Wege es gibt, damit umzugehen, wenn es wieder passiert – davon sei leider auszugehen, so die einhellige Meinung der Referent*Innen und ca. 40 Zuhörer*innen.

Eine solche Aufarbeitung hat nicht nur wegen des gemeinsamen Vorgehens der Nulldrei-Akteur*innen Seltenheitswert. Wenn das Stichwort „Traumatisierung“ fällt, klingt das selbst für Kenner*innen wie den Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), Michael Gabriel, noch immer befremdlich, wie er bei der Veranstaltung in Babelsberg sagte. Auch weil Ultra- und andere Gruppen weiter am Image des harten, unangreifbaren Fans festhalten und sich nicht gern in der Opferrolle sehen.

Sich einzugestehen, traumatisierende Erfahrungen gemacht zu haben, muss aber nicht mit einem solchen Opferstatus’ einhergehen. Das Geschehene und eventuelle Verletzungen zu verarbeiten, setzt jedoch voraus, sich damit zu beschäftigen, erklärte der Facharzt für Psychiatrie, German Wochatz. Das ist nicht gerade leicht, wenn Vorfälle wie gegen Bayern-Fans in Madrid oder Schalke-Anhänger bei Aris Saloniki – oder eben Babelsberger Pokalsieger in Luckenwalde – von Polizei, Verein und Medien totgeschwiegen statt aufgeklärt und mit Hilfsangeboten begegnet werden.

Als wäre das nicht schlimm genug, bleibt oft auch die Unterstützung Unbeteiligter aus. Irgendwas werden die schon gemacht haben, denken viele, die mit Fußball nichts am Hut haben. Oder: Das gehört doch dazu, damit musst Du rechnen, wenn Du zum Fußball gehst. Solch ein Abwinken erleben selbst Fanprojektler*innen, wie Bastian Schlinck bei der Diskussion berichtete.

Doch damit müssen und dürfen sich Fans nicht abfinden – auch das zeigt der Fall Luckenwalde. Es war für viele Fans und für die öffentliche Wahrnehmung enorm wichtig, dass das Fanprojekt sofort auf die Betroffenen zuging und Hilfe anbot, Verletztenzahlen erhob und versuchte, die Debatte über das Geschehene zu versachlichen. Michael Gabriel nannte diese Reaktion „bemerkenswert“. Das soziale Netzwerk habe gewirkt. Daran haben auch der Fanbeirat und die Initiative nur03* mit dem wiederholten Formulieren von Forderungen und der detaillierten Aufarbeitung etwa in Form eines Dossiers und Videos ihren Anteil. Solche Initiativen brauchen noch mehr Unterstützung aus der Fanszene, forderte Bastian Schlinck.

Bleibt die Frage, wie der Verein und die Fanszene wieder einen gefühlt und tatsächlich sicheren Stadionbesuch möglich machen wollen. Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Jede*r muss darauf gefasst sein, dass es wieder zu einer Eskalation und damit Traumatisierung kommen kann. Mit Angst sollte aber keine*r ins Stadion gehen. Wichtig ist es, sich und seiner Grenzen bewusst zu sein. Das gilt für jede*n Einzelne*n am Spieltag, aber auch für die Gremien und Organisator*innen. Es braucht ein starkes Netzwerk aus Verein, Fanvertreter*innen und Fanprojekt, um im Fall des Falles zur Stelle zu sein. Daran können alle mitwirken.