Informelle Gespräche und Ankündigungen reichen nicht!

Heute, fünf Monate nach der Polizeigewalt beim Landespokalfinale in Luckenwalde, veröffentlichte der Fanbeirat Babelsberg ein Schreiben des Polizeidirektors der Direktion West (pdf-Dokument) Karsten Schiewe, nutzte es, um Forderungen zu ergänzen, sowie kommentierte den Inhalt des Schreibens. Der „Fanbrief“ richtet sich an die „Fans des SV Babelsberg 03“ und wurde an den SV Babelsberg 03, den Fanbeirat und das Fanprojekt Babelsberg gesendet. Darin geht es zum einen um die interne Prüfung der Vorkommnisse sowie die Vorwürfe gegen die Polizei als auch andererseits um die vermeintlich gemeinsame Aufarbeitung der Ereignisse bei ergänzenden Gesprächen zwischen Polizei, Verein und Fans.

Der Fanbeirat veröffentlichte dieses Schreiben, weil er keine Lust mehr auf „[i]nformelle Gespräche und Ankündigungen durch die Polizei und Verantwortliche des SV Babelsberg 03“ hat. Außerdem sollen die beiden Vereine, der Fußball-Landesverband Brandenburg und die Polizei „endlich Verantwortung für den durch nichts zu rechtfertigenden Angriff auf Nulldrei-Fans“ übernehmen.

Darüber hinaus kommentiert der Fanbeirat den Inhalt des Schreibens. Für uns besonders erschreckend ist hierbei nicht nur, dass die Polizei Brandenburg weiterhin an ihren Märchen festhält sondern dass die interne Aufarbeitung der Vorkommnisse offenbar maßgeblich von der Täter-Institution geführt wurde und der Rechtsbruch der fehlenden Kennzeichnung gerechtfertigt wird.

Wir möchten uns an dieser Stelle beim Fanbeirat für die Veröffentlichung bedanken. nur03* schließt sich außerdem den vier Forderungen an, die im Kommentar zum Schreiben formuliert wurden. Diese sind:

1. Wir erwarten von der Polizei Brandenburg, dass endlich die Zahlen zu den verletzten Fans überprüft und korrigiert werden. Es muss endlich anerkannt werden, dass es eine sehr viel höhere Zahl an durch Reizgas verletzte Personen sowie einige schwerverletzte Fans gab. Die Öffentlichkeitsfahndung nach einem vermeintlich schwerverletzten Fan bestätigt diese indirekte Korrektur der Zahlen bereits. Hier fehlt aber eine explizite und öffentliche Entschuldigung für die Verbreitung falscher Zahlen und Korrektur derselben.

2. Wir fordern weiterhin, dass die Polizei auf den Einsatz von Reizgas im Stadion und in großen Menschenmengen verzichtet. Die Ereignisse in Luckenwalde beweisen erschreckend, dass beim exzessiven Einsatz von Reizgas zwangsläufig eine sehr große Zahl von Menschen betroffen ist und so Panik, Angst und Traumatisierungen bewusst riskiert werden. Der Einsatz steht deshalb in keinem Verhältnis zum Ziel, ist durch nichts zu rechtfertigen und sollte deshalb unterlassen werden.

3. Wir weisen erneut nachdrücklich darauf hin, dass in Luckenwalde dutzende Menschen nicht nur verletzt, sondern auch traumatisiert wurden. Dies beweisen die bekannten offenen Briefe sowie die zahlreichen Augenzeugenberichte, die vor allem die Panik, die Angst und die Verzweiflung der Fans schildern. Hierbei ist zu beachten, dass jene Fans, die weiterhin zum Fußball gehen, an jedem Spieltag durch den Anblick gepanzerter und uniformierter Bereitschaftspolizisten an die vermummten Gewaltverbrecher in Luckenwalde erinnert und so womöglich re-traumatisiert werden können. Aus diesem Grund erwarten wir von der Polizei Brandenburg die traumatisierten Betroffenen endlich als Teil der Opfer von Polizeigewalt zu betrachten. Damit muss ausdrücklich eine Änderung im Verhalten gegenüber den Fans einhergehen. Dazu gehört zunächst diese Gruppe Betroffener explizit zu benennen, in den Einsatzbesprechungen dieses Thema zu reflektieren sowie auf re-traumatisierendes Verhalten im Umgang mit den Babelsberg-Fans zu verzichten.

4. Wir wollen endlich wissen, gegen wie viele Beamte genau und wegen welcher Straftatbestände ermittelt wird. In bilanzziehenden Presseerklärungen wird regelmäßig nach Fußballspielen veröffentlicht, gegen wie viele Personen auf Grundlage welcher vermeintlicher Straftaten vorgegangen wurde. Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Polizisten fehlen diese Angaben. Es ist deshalb völlig unklar, ob auch gegen jene Beamte ermittelt wird, die exzessiv und durch nichts gerechtfertigt Reizgas versprüht haben. Darüber hinaus ist nicht bekannt, ob die gewalttätigen Beamten, die so viele Fans verletzt und traumatisiert haben, weiterhin im Einsatz sind und eventuell auch bei Spielen des SV Babelsberg 03 eingesetzt werden. Das heißt, bei jedem Kontakt mit Bereitschaftspolizisten müssen die Fans davon ausgehen, dass sie erneut mit jenen Beamten konfrontiert sind, die sie in Luckenwalde verprügelt und mit Reizgas eingesprüht haben. Für eine echte Aufarbeitung sind Informationen zu den Tatbeständen, den daraus folgenden Ermittlungen sowie mögliche Konsequenzen für die Beamten unumgänglich.

GEMEINSAM GEGEN POLIZEIGEWALT!