Endlich Konsequenzen statt einer Fahndung nach Fans

Am vergangenen Mittwoch, am 12. Oktober 2016, veröffentlichte die Online Ausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung eine Meldung sowie Bilder des Landeskriminalamt Eberswalde. Die Polizei benötigt Hinweise und Angaben zur Person, so wird behauptet, zur „Identifizierung eines Mannes, der beim Finale im Fußball-Landespokal am 28. Mai in Luckenwalde Opfer einer schweren Körperverletzung geworden sein soll“. Hierzu werden zwei unscharfe Fotos veröffentlicht. Weiter wird behauptet, dass die Aussagen des gesuchten vermeintlichen Opfers erforderlich sind, „um die Aufklärung dieser Straftat zu ermöglichen“.

Der Zeitpunkt der Öffentlichkeitsfahndung der Polizei ist bemerkenswert. Schließlich wurde genau vor einem Monat, am 12. September, das Dossier 28. Mai 2016 – Polizeigewalt in Luckenwalde sowie das Video zur Dokumentation der exzessiven Polizeigewalt veröffentlicht. Der Inhalt der Meldung ist nicht minder erstaunlich. Denn es wird öffentlich mit Fotos nach einem vermeintlichen Opfer gesucht, was allerdings auf diesem Weg nicht geschützt, sondern eher weiter gefährdet und stigmatisiert wird. Noch fataler ist allerdings das Signal in die Fanszene des SV Babelsberg 03. Denn statt einer Entschuldigung, einer seit Monaten versprochenen und immer wieder angekündigten Aufarbeitung des eigenen Versagens und der damit einhergehenden Konsequenzen wird nach Nulldrei-Fans gesucht beziehungsweise besser gefahndet.

Wir möchten an dieser Stelle davor warnen, Aussagen gegenüber der Polizei zu machen. Wir wollen außerdem darauf hinweisen, dass Zeug*innen, denn nach nichts anderem wird hier gesucht, anders als Beschuldigte kein Aussageverweigerungsrecht sondern ein sehr viel eingeschränkteres Zeugnisverweigerungsrecht haben. Das heißt, die Aussagen des vermeintlichen Opfers oder andere Aussagen zur Person müssen zwingend umfassend sein. Sie dürfen nichts auslassen, außer sich selbst Belastendes. Darüber hinaus gilt selbstverständlich, dass alles Gesagte gegen die Aussagenden verwendet werden kann. Dies sollte jede*m und jede*r klar sein, welche*r der Polizei bei dieser Fahndung hilft.

Des Weiteren ist erstaunlich, dass ausgerechnet nach diesem Opfer öffentlichkeitswirksam gefahndet wird, obwohl es doch genügend andere Opfer von Polizeigewalt gibt beziehungsweise das vor einem Monat veröffentlichte Video und das Dossier mehrere gemeinschaftlich begangene schwere Körperverletzungen sowie eventuell auch einen versuchten Totschlag durch den lebensgefährlichen Schlag mit dem Knüppel gegen den Kopf eines Fans dokumentieren. Wir fragen uns deshalb, wozu Zeug*innen-Aussagen benötigt werden, wenn es doch andere öffentliche Aussagen und Video-Belege gibt. Soll mit dieser Öffentlichkeitsfahndung nicht eher Druck auf die Fanszene ausgeübt werden. Denn es ist zu erwarten, dass bei den folgenden Spielen die Polizei nach genau dieser Person suchen wird und eventuelle Ähnlichkeiten zu polizeilichen Maßnahmen führen könnten. Aufgrund der unscharfen Bilder, die durchaus auch zwei völlig verschiedene Personen zeigen könnten, dürften einige Fans in den Fokus der Behörden gelangen können.

Aus diesem Grund interpretieren wir die öffentliche Fahndung nach einem Babelsberg-Fan als medienwirksame Eskalation des Verhältnisses zwischen den Fans des SV Babelsberg 03 und der Brandenburger Polizei. Diese reiht sich ein in die bis heute nicht erfolgte umfassende Aufarbeitung der exzessiven Polizeigewalt beim Landespokalfinale am 28. Mai 2016 beziehungsweise der fehlenden Konsequenzen für die Gewaltverbrecher in Uniform. Was sich bereits mit dem massiven Polizeiaufgebot bei der Demonstration vor dem Pokalspiel gegen den FSV 63 Luckenwalde am 7. Oktober 2016 angekündigt hat, wurde nur wenige Tage später mit einer öffentlichen Fahndung fortgesetzt.

Dieses Verhalten der Brandenburger Polizei ist unerträglich. Die Babelsberg-Fans müssen so den Eindruck bekommen, dass sie nicht nur Betroffene und Opfer von Gewaltverbrechen wurden, sondern weiterhin durch die Polizei als potenzielle Verbrecher*innen behandelt werden. Wir fordern die Verantwortlichen deshalb eindringlich auf, jede Eskalation, wie die öffentliche Fahndung nach Babelsberg-Fans, zu unterlassen. Wir wollen Konsequenzen für die Gewalttäter*innen in Uniform und keine weitere Verschärfung des ohnehin schon angespannten Verhältnisses zwischen den Beamt*innen und den Fans.