Wer nicht fragt, hat schon verloren

Wir dokumentieren an dieser Stelle den Bericht zum ersten Infoformationsabend im Rahmen der Reihe “Rechts ABC”, der im Nordkurven Zine “Ultra Unfug” (Nummer 209) zum Spiel gegen Magedburg erschien. Der Text liefert einige wichtige Grundlagen und Hinweise auf das Verhalten im Kontakt mit Polizist*innen. Besonders wichtig ist, dass in keinem Fall gegenüber Beamt*innen Aussagen gemacht werden sollten, aber sie mit Fragen löchern, dürft ihr selbstverständlich. Aber lest selbst.

Am 17. Dezember 2014 fand im freiLand der erste Infoabend im Rahmen der Reihe „Rechts ABC“ statt. Zum Gespräch hatten Nulldrei-Fans und das Fanprojekt Babelsberg eingeladen. Wer jetzt denkt, mhh mal wieder eine Rote-Hilfe-„Wir-reden-nicht-mit-Bullen”-Veranstaltung, liegt falsch und darf sich jetzt ausgiebig ärgern. Ein_e referierende_r Anwalt_in führte ungefähr 20 Zuhörende in die Grundbegriffe der Polizeisprache ein sowie erläuterte Handlungsansätze und konkrete Verhaltensweisen im Kontakt mit Beamt_innen.

Der Abend begann mit der kurzen Vorstellung einer (neuen) Initiative zum Umgang mit Repression. Genaueres zu diesem Netzwerk engagierter Nulldreier_innen könnt ihr in diesem Heft finden. Danach übernahm der_ie Anwalt und stellte gleich mal klar, dass alles erlaubt ist, außer es ist explizit verboten. Polizist_innen dagegen glauben oft, dass ausschließlich sie diejenigen wären, die etwas erlauben dürfen. Wie zum Beispiel auf Klo gehen oder Essen und Trinken besorgen in Neustrelitz. Oder die Route beim Spaziergang zum Stadion. Richtig ist aber: Es muss ein klares Verbot bestehen. Damit ist schon mal eine gute Grundlage für ein Gespräch gelegt, das die Polizei häufig schon verunsichert.

Nach diesem Grundsatz gings mit den gesetzlichen Grundlagen weiter. Die Sicherheitsmenschen haben nämlich drei Möglichkeiten, auf die sie ihre Maßnahmen zurückführen können. Diese sind das Polizeigesetz, die Strafprozessordnung und das Versammlungsgesetz. Deshalb sollte die Person, die Kontakt mit Beamt_innen hat, erfragen auf welcher Grundlage er_sie gerade belästigt oder festgehalten wird. Also: Fragt, welche Grundlage die Maßnahme hat. Denn wenn eine Maßnahme falsch gerechtfertigt wird, ist sie am Ende rechtswidrig. Außerdem seid immer höflich und fragt ganz nett. Aussagen sind aber selbstverständlich Tabu. Merkt euch einfach: Fragen JA! Quatschen NEIN!

Bei der Antwort der Beamt_innen beachtet bitte, dass die Polizeigesetze von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind, und nicht jede_r Knüppel schwingende Handlanger_in die bestehende gesetzliche Grundlage kennt, welche zur Anwendung kommen muss. Bei überregionalen Einsätzen kommt hinzu, dass geklärt werden muss, in welchem Bundesland sich alle Personen befinden und wonach gehandelt werden darf. Es gibt nämlich auch noch das Bundespolizeigesetz. Dem haben wir die Begleitung in Zügen, S- und Straßenbahnen und sonstigen Verkehrsmitteln zu verdanken. Aber einen Lichtblick gibt es: Dieses föderale Durcheinander der Zuständigkeiten kann nicht nur für uns, sondern auch für die Beamt_innen sehr verwirrend sein.

Nach den gesetzlichen Grundlagen wurden die Maßnahmen konkretisiert. Denn es wird grundsätzlich zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen unterschieden. Die verschiedenen Polizeigesetze gehören in erster Linie zu ersterem und wenden vorbeugendes (präventives) Polizeirecht an. Denn es soll für Ordnung und Sicherheit gesorgt sowie Gefahren abgewendet werden. Zu den Maßnahmen gehören sogenannte Gefährderansprachen, Platzverweise o.Ä. Falls Sicherheitsmenschen mit dieser Grundlage um die Ecke kommen, bleibt hartnäckig. Ihr könnt sofort Widerspruch einlegen und die schriftliche Ausfertigung zur Maßnahme verlangen. Die repressiven Maßnahmen sind etwas anders gelagert. Gründsätzlich geht’s hierbei um „Verbrecherjagen“ und es kommt die Strafprozessordnung zur Anwendung.

Das heißt, fragt welche Art der Maßnahme gerade läuft. Wenn es sich um eine präventive handelt, könnt ihr Widerspruch einlegen und / oder eine schriftliche Ausfertigung verlangen. Wenn die Beamt_innen eine repressive Maßnahme ankündigen, dann wird ermittelt und es wird schon etwas haariger. Aber auch da gibt es Handlungsoptionen. An einem Ermittlungsverfahren sind nämlich mehrere Institutionen beteiligt. Es gibt Ermittler_innen, Staatsanwält_innen, Richter_innen… Es müssen Aktenzeichen angelegt werden. Übrigens müssen sich die Beamt_innen bei einer Maßnahme ausweisen. Sie müssen euch ihren vollen Namen, den Rang und die Dienstnummer mitteilen. Darüber hinaus habt ihr Anspruch auf die Nennung des Dienstvorgesetzen. Es gibt also ne Menge Sachen, die ihr erfragen und euch notieren könnt. Ihr selbst müsst euch zur Feststellung der Identität ausschließlich ausweisen können. Außer dem Namen und der Adresse solltet ihr nix sagen. Aber, wie schon weiter oben erwähnt, (höflich) fragen könnt ihr immer.

Außerdem sollen wir, so die_er Anwalt_in immer im Hinterkopf behalten, dass die Polizei alles, was sie tut oder auch lässt, rechtfertigen muss und eigentlich alle jeweils in den verschiedenen Situationen zu verwendenden gesetzlichen Grundlagen kennen sollte. Das ist aber selten der Fall. Darüber hinaus scheinen uns die Beamt_innen gar nicht zu mögen. Denn wir nerven sie offenbar, in dem wir schon jetzt zu viele Fragen stellen und grundsätzlich (fast) alles hinterfragen. Die Sicherheitsmenschen glauben, dass wir sie durch dieses Verhalten veräppeln wollen. Auf die Idee, dass wir lediglich unsere Rechte wahrnehmen und versuchen die Beamt_innen höflich an ihre Pflichten zu erinnern, kommen sie offenbar nicht. Außerdem scheinen Spiele des SV Babelsberg 03 grundsätzlich auch vom Verfassungsschutz als überwachungswürdig eingeschätzt zu werden.

Wenn es doch mal zu Stress kommt, ist es ganz wichtig den Namen der Anwält_innen, der Vertreter_innen oder Vertrauten zu nennen. Denn erst dann können die entsprechenden Personen zu euch und ihr Zugangsrecht wahrnehmen. Darüber hinaus solltet ihr daran denken, dass ihr nicht allein bleibt. Sammelt Zeug_innen. Greift euch einzelne Beamt_innen heraus, notiert euch ihre Angaben und fragt sie aus. Wenn die Polizei eskaliert, sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, diese Szenen zu filmen sowie zu fotografieren. Außerdem schreibt bitte Gedächtnisprotokolle, damit eine möglichst umfassende Dokumentation möglich ist.

Die Hinweise der_es Anwält_in sind selbstverständlich nur Optionen. Sie versagen meistens, wenn die Situation bereits eskaliert ist. Die Tipps können aber helfen. Wir als Fans können und müssen die Richtung bestimmen. Wir brauchen nicht alles wortlos hinnehmen und uns in die Ohnmacht zwingen lassen. Wichtig bleibt aber selbstverständlich weiterhin, dass gegenüber der Polizei keine Aussagen getroffen werden. Fragen dagegen gehen, wie bereits mehrfach erwähnt, immer. Habt aber immer im Hinterkopf: Die einzelnen Polizist_innen sind auch nur Befehlsempfänger_innen, die mitunter Angst haben und oft nicht wissen, auf welcher Grundlage ihr Handeln basiert. Lasst euch einfach nicht alles gefallen. Seid aufmerksam und solidarisch! Beim Fußball und überall.