Gewalt, Märchen und kein Nachspiel
Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Text, der am 29. Juli 2016 in der Ausgabe Nr. 231 des Fanzine “Ultra Unfug”erschienen ist. Er beschäftigt sich mit dem Angriff der Polizei auf feiernde Babelsberg Fans, den Gewaltexzess der Beamt*innen, der fehlenden Aufarbeitung der Vorkommnisse durch die Vereinsoffiziellen des SV Babelsberg 03, die Stadt- und Landespolitik sowie die Behörden.
Am 28. Mai 2016 spielte der SV Babelsberg 03 im Pokalfinale gegen den FSV 63 Luckenwalde. Nulldrei gewann mit 3:1 und zog so in die erste Runde des DFB Pokal ein. Die Losfee bescherte dem SVB mit Freiburg einen angenehmen Gegner. Das heißt, am 20. August werden hoffentlich einige Tausend blauweiße Fans, Freiburger und Süddeutsche aus den Berliner Innenstadtbezirken ins KarLi pilgern. Dieser Spieltag wird wahrscheinlich ganz entspannte ablaufen. Wobei auch in Luckenwalde keiner das erwartet hatte, was passierte.
Das Spiel lief super. Nulldrei zeigte sich von seiner besten Seite. Die Gegengrade im Luckenwalder Werner-Seelenbinder-Stadion engagierte sich lautstark und pushte das Team zum Sieg. Schon Minuten vor dem Abpfiff war nur noch an die Feierei in der Kurve und mit dem Team zu denken. Aber die Party sollte offensichtlich verhindert werden. Denn vermummte und von oben bis unten gepanzerte Kosmonauten betraten den Heiligen Rasen und postierten sich direkt vor den supportenden Fans, Pfeffer, Knüppel und Quarzhandschuhe im Anschlag. Und als ob dieser provozierender Auftritt der Cops nicht schon ausreichte, eskalierten sie die Siegesfeier dermaßen und steigerten sich in einen beispiellosen Gewaltexzess. Das Ergebnis der polizeilichen Maßnahmen nach Abpfiff waren 26 schwer verletze, über 160 leicht verletzten und hunderte traumatisierte Nulldrei Fans.
Auf diesen Angriff auf feiernde Menschen reagierte nur03*, der Fanbeirat und das Fanprojekt schockiert und entschlossen. Selbst konservative Regionalmedien wie die Märkischen Allgemeine oder CDU Politiker wie Petke waren entsetzt. Nur die Polizei, das Innenministerium und zunächst auch der Verein rechtfertigten den Einsatz. Die Behörden dachten sich hierbei besonders absurde Märchen aus, die durch nur03* und später auch durch den SVB Präsidenten Horlitz als das entlarvt werden konnten, was sie waren – nämlich Lügen, Halbwahrheiten und Desinformationen offensichtlich um die Aufarbeitung des Gewaltexzesses wenn nicht zu verhindern, dann doch wenigstens zu behindern.
Auffällig ist, dass zahlreiche Erklärungen, Statements von Fan-Initiaven und Presse-Artikeln sowie zwei Innenausschusssitzungen später, nach zwei Monaten „Aufarbeitung“ keine Konsequenzen in Sicht sind. Über Ermittlungen gegen die Gewalttäter in Uniform ist nichts bekannt. Der klare Rechtsbruch des Brandenburger Polizeigesetzes zum Einsatz von mindestens zwei ungekennzeichneten Beamten, die für mehrere gefährliche Körperverletzungen verantwortlich sind, ist weiterhin ungeahndet und schlimmer noch, wird gar nicht erst thematisiert. Eine Erklärung des SVB zur Unterstützung der Betroffenen gab es nicht. Die Verletzten und Traumatisierten stehen weitestgehend allein da und nicht wenige werden mit einem mulmigen Gefühl ins Stadion gehen, wenn sie überhaupt noch kommen. Denn wer will schon Re-Traumatisierungen riskieren.
Dieses Versagen der Vereinsoffiziellen, der Politik und der Behörden ist fatal. Auch weil die Fans bei den folgenden Spielen im Zusammenhang mit Ermittlungen der Polizei, die sich selbstverständlich nicht gegen die Kollegen richten, sondern immer nur gegen Fußballfans, mit Personalienfeststellungen und eventuell auch Ingewahrsamnahmen zu rechnen haben. Ziel dieser Maßnahmen wird es sein, den eigenen Gewaltexzess nachträglich zu rechtfertigen, eventuelle Ermittlungen und Anzeigen gegen eingesetzte Beamte zu verhindern oder zumindest vorsorglich zu delegitimieren. Statt gegen die Kollegen wegen schwerer Körperverletzung und die Nutzung gesundheitlich gefährdender Substanzen zu ermitteln, werden diese Vorwürfe garniert mit Beleidigung und Hausfriedensbruch auf die verletzten Fans gespiegelt.
Aufgrund der zu erwartenden Repression ist es immens wichtig, dass ihr an Spieltagen die Treffpunkte der Cops wie zum Beispiel am Bahnhof Babelsberg meidet. Bleibt möglichst nicht allein. Geht in größeren Gruppen zum Stadion. Achtet aufeinander und gebt Infos zu Maßnahmen weiter. Lasst euch von den Polizisten nicht provozieren. Macht keine Aussagen, sondern stellt Fragen. Nach der Rechtsgrundlage zum Beispiel, zur Dienstnummer, zum Vorgesetzten, zur Motivation Beamter oder Beamtin zu sein, zum Wetter usw. Seid kreativ! Aber vor allem unterstützt weiter das Fanprojekt, den Fanbeirat und nur03* in der Aufarbeitung der Vorfälle. Zeigt euch solidarisch wie zum Beispiel Scortesi, Fire and Flames, die Band Produzenten der Froide, 11 Freunde, Gesellschaftsspiele und die vielen Anderen, welche für die Antirep-Tombola gespendet haben.
GEMEINSAM GEGEN REPRESSION!