Bericht zum Spiel in Luckenwalde, 14. Mai 2017
Am 14. Mai 2017 spielte der SV Babelsberg 03 am 33. Spieltag auswärts beim FSV 63 Luckenwalde und gewann mit 4:1. Da die Partie in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Jahrestag der „Schande von Luckenwalde“ stattfand, waren bereits die Tage vor dem Spiel angespannt. Insbesondere die Entscheidung des gastgebenden Vereins zu unnötigen Verboten von Material und der Einstufung als sicherheitsbedrohtes Spiel sowie dem angekündigten massiven Polizeiaufgebot, das von derselben Einsatzleitung geführt werden sollte, die bereits im vergangenen Jahr für Chaos, Kommunikationsschwierigkeiten und einen Angriff auf feiernde Nulldrei-Fans verantwortlich war, sorgte für Unverständnis und Unruhe. Lest hierzu den Offenen Brief des Fanbeirat an den FSV 63 Luckenwalde. Hinzu kommt die fortgesetzte Verweigerung zur deeskalierenden Zusammenarbeit mit dem SVB, dem Fanprojekt und den Fan-Gremien, die Schlimmes erahnen ließ. Leider wurden die Befürchtungen am Spieltag selbst noch übertroffen, sodass dieser Spieltag (nicht nur aufgrund des Wetters) neben der Vorkommnisse am 28. Mai 2016 selbst als Höhepunkt der Frechheit und Respektlosigkeit gegenüber Nulldrei-Fans bezeichnet werden muss.
Die Überwachung der Nulldrei-Fans begann bereits am Bahnhof in Potsdam. Dort warteten mindestens zwei Beamt*innen in Zivil. Beim Umstieg in Berlin beziehungsweise dem Zustieg der Berliner Nulldrei-Fans überwachte eine Halbgruppe der Landespolizei Berlin mit der Kennzeichnung 221 inklusive mobiler Kamera und einer Gruppe mit Hund die Fans. Insgesamt haben wir 11 Uniformierte gezählt. Nach entspannter Fahrt ohne Begleitung durch Beamt*innen im Zug selbst erwartete die anreisenden Fans in Luckenwalde ein massives Polizeiaufgebot. Nach unseren Informationen patrouillierten die Beamt*innen bereits Stunden vor Anpfiff in der Stadt. Bei der Ankunft der Fans sperrten sie den Bahnhof ab.
Den Fans war es untersagt selbstständig oder in Gruppen den Bahnhof in Richtung Dessauer beziehungsweise Heinrich-Zille-Straße zu verlassen. Sie sollten den Weg über die Bahnhofstraße in Richtung Werner-Seelenbinder-Stadion nehmen. Nach unseren Beobachtungen waren an dieser Maßnahme einige Einheiten die 1. Einsatzhundertschaft beteiligt. Darunter waren die Halbgruppen 1111, 1112, 1113, 1122, 1123 sowie 1133. Diese Beamt*innen überwachten im Folgenden den spontanen Fanmarsch zum Stadion. In diesem Zusammenhang fielen ein* Beamter* und ein*e Beamt*in auf, die an der Spitze des Marsches Spalier liefen und bereits in der Bahnhofstraße offenbar die Situation zu eskalieren versuchten. Am Stadion angekommen warteten dort zusätzlich zu jenen den Marsch überwachenden Beamt*innen weitere Gruppen der Bereitschaftspolizei. Wir haben mindestens zehn sogenannte Halbgruppenfahrzeuge (Mini-Busse) sowie mindestens sichtbare 30 Beamt*innen gezählt.
Am Eingang zum Gästeblock wurden circa 10 Ordner*innen inklusive einer weiblichen Person eingesetzt. Diese verhielten sich weitgehend zurückhaltend. Im Stadion selbst haben wir mehrere Halbgruppen der Bereitschaftspolizei gezählt. Insgesamt dürften es 30 bis 40 Beamt*innen gewesen sein. Darunter waren mehrere sogenannte Beweis- und Festnahme-Einheiten (BFE), die im Gästeblock direkt hinter den Fans standen, und auch die 4. Einsatzhundertschaft, die sich im Bereich am Eingang sowie in unmittelbarer Nähe zum Turm in der Ecke des Gästeblocks aufhielten. Auffällig war hierbei, dass die Halbgruppe 1412, die in unmittelbarer Nähe des Eingangs stand und aus deren Reihen die Gewaltverbrecher*innen vor circa einem Jahr kamen, bereits Handschuhe und Skimasken trug. Dieses respektlose, um nicht zu sagen menschenfeindliche, Verhalten dieser Gruppe führte zu großer Unruhe, Wut und vor allem Angst, vor der Wiederholung der Szenen beim Landespokalfinale. Aufgrund der Gefahr zur Retraumatisierung der Fans auf der einen und der unerträglichen Überwachungssituation für eine euphorische und angstfreie Unterstützung des Teams auf der anderen Seite versuchte das Fanprojekt den Abzug der Einheiten aus dem Block zu erreichen. Die Einsatzleitung war dazu aber nicht bereit, was zur weiteren Anspannung der Situation führte. Im Ergebnis verließen aktive Fans und Ultras das Stadion. Es blieben mehrere Dutzend Personen, die den 4:1-Auswärtssieg feiern konnten.
Der Rückweg der nunmehr zwei Nulldrei-Fan-Gruppen verlief weitgehend entspannt. Die aktiven Fans wurden durch die Beamt*innen bis zum Bahnhof begleitet und aus den Mini-Bussen überwacht. Die nach Abpfiff abreisenden Fans wurden ebenfalls von den Halbgruppenfahrzeugen und einigen wenigen Polizist*innen zu Fuß begleitet. Hierbei kam es zu einer Personalienfeststellung, die aufgrund der offensichtlichen Geringfügigkeit nur als Rechtfertigung für den massiven Einsatz gewertet werden kann. Hierbei fiel vor allem eine* Beamtin* aus der Gruppe 1133 negativ auf.
Der Spieltag in Luckenwalde hat uns bewiesen, dass es weiterhin wichtig ist, aufmerksam zu sein, frühzeitig zu informieren und wenn nötig öffentlichkeitswirksam zu intervenieren. Das Einsatzkonzept der Polizei, den Spieltag mit mehreren Polizeihundertschaften zu überwachen, verfehlt jegliche Verhältnismäßigkeit und spottet jeder Empathie. Wir haben insgesamt circa 20 sogenannte Halbgruppenfahrzeuge, einen roten Mini-Bus der Zivil-Beamt*innen sowie einen Lautsprecherwagen gezählt. Im Einsatz waren die Einheiten 1111, 1112, 1113, 1120, 1121, 1122, 1123, 1131, 1133, 1400, 1412, 1422, 1431, 1432 und 1433. Besonders auffällig waren die Halbgruppen 1131 und 1133 sowie 1412, die ohne jeden ersichtlichen Grund Handschuhe anhatten und Skimasken auf dem Kopf trugen, die sie zur schnellen Vermummung einfach hätten herunterziehen können. Aufgrund der Maßnahme am Bahnhof, der massiven Überwachung sowohl innerhalb des Gästeblocks, als auch außerhalb des Stadions bewerten wir das Verhalten der Polizei als unverhätnismäßig und provozierend. Die Rechtfertigung hierfür soll sein, dass die Babelsberg-Fans am 28. Mai 2016 angeblich die volle Verantwortung dafür tragen, dass sie angegriffen, mit Reizgas besprüht und teilweise schwer verletzt wurden. Die Beamt*innen und ihre Führung haben mit diesem Auftritt erneut bewiesen, dass sie nicht fähig sind, einen entspannten und angstfreien Spieltag zu ermöglichen. Sie negieren ihren eigenen Gewaltexzess. Damit decken sie nicht nur die Gewaltverbrecher*innen in ihren eigenen Reihen, sondern verleugnen ihre Verantwortung für über 150 verletzte Babelsberg-Fans und hunderte Traumatisierte. Auch der gastgebende Verein FSV 63 Luckenwalde lässt jede Aufarbeitung der Ereignisse und die Übernahme der eigenen Verantwortung vermissen. Damit setzt sich ein Jahr später die „Schande von Luckenwalde“ fort und wird um ein weiteres Kapitel ergänzt.